Seit Dezember 2017 ist eine Webseite online, deren Inhalt ich gerne in den nächsten Beiträgen thematisieren möchte. Die Internetseite ist unter Folgender URL erreichbar:
https://soeringguiltyascharged.com/
Auf dieser Seite wurden u.a. Dokumente eingestellt, die einen neuen Blick auf den Fall Jens Söring ermöglichen. Teils ist der Inhalt recht brisant, daher auch der etwas martialische Blog Titel. Aber bevor ich im Einzelnen darauf eingehe, möchte ich noch einen grundsätzlichen Gedanken loswerden: Sinn und Zweck dieses Blogs war es stets eine ausbalancierte Darstellung zu erreichen, die diesem komplexen Fall gerecht wird. Die Zuschriften, die ich bisher erhalten habe, bestätigen mir, dass dieser Vorsatz recht gut umgesetzt wurde. Auch beim aktuellen Blog geht es ausschließlich darum, die neuen Erkenntnisse in einer geeigneten Form zu präsentieren.
Nun aber zu dem ersten Dokument (alle Dokumente die im Blog thematisiert werden, sind auf der oben angegebenen Webseite abrufbar. Das Gerichtsurteil kann zusätzlich hier heruntergeladen werden: klick):
Unpublished Decision of the U.S. Court of Appeals (30.06.2000)
Es handelt sich um ein Urteil eines Bundesberufungsgerichtes (United States District Court), in dem über ein Urteil eines vorinstanzlichen Bundesbezirksgerichtes entschieden wurde. Im Wesentlichen trägt Jens drei Argumente vor, um die Abweisung seiner Verfassungsklage (writ of habeas corpus) anzufechten.
1. Seine multiplen Geständnisse hätten vor Gericht nicht zugelassen werden dürfen
2. Beweismittel wurden zurückgehalten bzw. ihm und seinem Rechtsanwälten nicht zur Verfügung gestellt.
3. Sein Rechtsanwalt war nicht in der Lage den Prozess zu führen
Ich möchte im Folgenden aber nicht in eine juristische Betrachtung einsteigen, sondern herausarbeiten, was für die Bewertung der Schuldfrage jenseits von formaljuristischen Spitzfindigkeiten relevant ist.
1. Die Geständnisse
Dem geneigten Leser dürfte der Themenbereich „falsches Geständnis“ hinlänglich bekannt sein. Jens hat sein „falsches“ Geständnis sogar zum Gegenstand seines Antrages auf Begnadigung (pardon) gemacht. Er behauptet, dass es unwahr ist und viele Fehler enthält. Demnach gestand Jens nur, um Elizabeth zu schützen. In diesem Zusammenhang erklärte Jens mehrfach, dass er unter Druck gesetzt wurde und ihm ein rechtlicher Beistand verweigert wurde:
In seinen Blog (B 84, 04.04.2012) schreibt Jens:
„Ich wurde verhört, und zwar neun Mal, immer ohne Rechtsanwalt, obwohl ich wiederholt um meinen Anwalt bat“.
Auf seiner Homepage schreibt Jens:
„Elizabeth wird Kontakt zu ihrem Anwalt erlaubt, Jens aber nicht.“
Ich habe mich bereits ausführlich zu diesem Thema geäußert und dargelegt, dass von einem „unter Druck setzen“ nicht die Rede sein kann. Den Eintrag könnt ihr nochmals hier nachlesen: klick
Jetzt gibt es durch die Veröffentlichung des o.g. Gerichtsurteils hierfür eine zusätzliche Bestätigung:
Zitat:
„Soering himself "initiated" the third and subsequent interviews with the police…”
Übersetzung:
„Söring selber initiierte das dritte und das darauf folgende Interview mit der Polizei...“
Zitat:
“And there is strong support in the record for the state court's factual finding that Soering himself initiated further communication with the police.”
Übersetzung:
"Und in der Aufzeichnung der Verhöre gibt es deutliche Hinweise darauf, dass Söring selbst weitere Verhöre mit der Polizei initiiert hat."
Zitat:
“Soering signed the following entry in the custody log at the British police station where he was being held: "I now wish to speak to D/S Beever, D/C Wright, D/C Gardner without my solicitor being present."
Übersetzung:
In der britischen Polizeiwache, in der Söring inhaftiert war, unterschrieb er das folgende Protokoll: "Ich möchte jetzt mit D / S Beever, D / C Wright, D / C Gardner sprechen, ohne dass mein Anwalt anwesend ist.
Schlussfolgerung:
Jens hat freiwillig darauf verzichtet, dass während der Verhöre ein Rechtsanwalt anwesend ist. Dies hat er sogar schriftlich bestätigt. Von einem „unter Druck setzen“ kann ebenfalls nicht die Rede sein, da Jens selber darauf bestanden hat, mit der Polizei zu reden.
2. Zurückgehaltene Beweismittel
In diesem Punkt seiner Klage dreht es sich um die Landstreicher Shifflett und Albright. Da es in dem nun vorliegenden Gerichtsurteil keine neuen Erkenntnisse gibt, verweise ich auf den bereits erstellten Blogbeitrag zu diesem Thema: klick
3. Der Rechtsanwalt
Oftmals hat Jens behauptet, dass sein Prozess nicht rechtskonform war, weil sein damaliger Rechtsanwalt Richard Neaton „geisteskrank“ war.
Auf seiner Homepage schreibt Jens:
Mein Strafverteidiger war während des Prozesses geisteskrank. Das gab er später selber zu, als ihm die anwaltliche Lizenz entzogen wurde (1995), weil er mich und andere Mandanten bestohlen hatte.
Daraus leitet Jens ab, dass der Prozess nicht rechtsstaatlichen Prinzipen genügt hat. Dieser Behauptung habe ich bereits in diesem Blogbeitrag widersprochen: klick
Nun kommt die höchst richterliche Bestätigung.
Zitat:
“Counsel's performance was not objectively deficient nor was Soering prejudiced, since counsel effectively cross-examined one of the prosecution's witnesses about his failure to compare Elizabeth Haysom's foot impressions with the sockprint, and since counsel demonstrated to the jury during closing argument"how one of Elizabeth's foot impressions matched the sock print almost as well as petitioner's [did]."…(counsel reminds the jury during closing argument that the shoe prints found at the crime scene were similar in size to Elizabeth's shoes).”
Übersetzung:
Weder war die Leistung des Rechtsanwalts bei objektiver Betrachtung mangelhaft, noch war Söring vorverurteilt. So wurde [beispielsweise] ein Zeuge der Anklage wegen seines Versäumnisses, die Fußabdrücke von Elizabeth Haysom mit dem Sockenabdruck verglichen zu haben ins Kreuzverhör genommen. Ferner hat Sörings Rechtsanwalt der Jury bei seinem Schlussplädoyer nochmals darauf hingewiesen, dass einer der Fußabdrücke von Elizabeth Haysom genauso gut zu dem Sockenabdruck passt [wie der von Jens].
Zitat:
“Soering was not prejudiced, since local co-counsel was of sound mind and represented Soering competently.”
Übersetzung:
Söring war nicht vorverurteilt, denn der lokale Rechtsanwalt der zum Verteidigungsteam gehörte, zeichnet sich durch einen klaren Verstand aus und hat Jens Söring kompetent vertreten.
Schlussfolgerung:
Es hat sich gezeigt, dass Richard Neaton nicht so unfähig war, wie im Nachhinein von Jens behauptet. Zudem hat sich bestätigt, dass Jens durch einen zweiten Rechtsanwalt, William Cleaveland, vertreten wurde. Dieser wird zudem vom Gericht als kompetent eingestuft. Insofern gibt es keine Grundlage für die Behauptung, eines unfairen Prozesses (die Behauptungen, dass der Richter befangen war und die Jury voreingenommen war wurde im Blog bereits widerlegt).