Freitag, 11. November 2016

Der Fall Jens Söring: Täterschaft (Teil 10: Elizabeth Haysom)

Was spricht konkret für eine Täterschaft von Elizabeth Haysom?

Motiv
Zunächst hat Elizabeth ein starkes Motiv. Sie hat ihre Eltern gehasst, ausweislich der hier zitierten Briefe, hat sie sich sogar deren Tot gewünscht. Anzufügen ist, dass es Anzeichen dafür gibt, dass Elizabeth von ihrer Mutter sexuell missbraucht wurde. Es sollen Fotos existieren, die diese These belegen. Jens will diese Fotos in dem Haus der Haysoms gesehen haben. Im Oktober 2016 hat Elizabeth diese Darstellung in einem Interview bestätigt.

Spuren am Tatort
Am Tatort wurde exakt eine Blutspur gefunden, die dieselbe Blutgruppe hat, wie die von Elizabeth (Blutgruppe B). Diese Spur wurde auf einem Lappen in der Waschmaschine gefunden. Zum einen ist es aber so, dass diese Blutprobe nicht tiefergehend untersucht werden konnte. Theoretisch kann das Blut also von jedem stammen, der Blutgruppe B hat. Diese Spur taugt also nicht als Beweis ihrer Schuld. Außerdem ist es nicht nachvollziehbar, warum ein Täter versuchen sollte, das eigene Blut in die Waschmaschine zu werfen ohne diese dann in Betrieb zu nehmen. Man will ja Spuren verwischen und nicht Spuren legen. (Weiterführende Informationen zu den DNA- Funden könnt ihr hier nachlesen.)

Ein weiterer Aspekt ist die Wodka Flasche, die im Haus der Haysoms gefunden wurde. Auf dieser fand die Spurensicherung einen Fingerabdruck, der zu Elizabeth passt. Allerdings kann sie den Abdruck jederzeit hinterlassen haben. Schließ handelt es sich um das Haus ihrer Eltern (diese Einschränkung gilt natürlich auch für die oben erwähnte Blutspur).

Letztlich wurde noch ein Haar im Waschbecken des Bades in ersten Obergeschoss gefunden. Dieses konnte Elizabeth aber nie zugeordnet werden.

Alibi
Elizabeth kann nur ein lausiges Alibi vorweisen, nämlich Kinokarten die am Tage der Morde in Washington D.C. gekauft wurden. Diese taugen aber nicht als Beweis ihrer Unschuld. (Mehr zu den Kinokarten könnt ihr hier nachlesen.)

Das FBI Profil
Jens Söring behauptet seit langer Zeit, dass die Ermittlungsbehörden ein FBI- Täterprofil unterschlagen hätten. Auch die Dokumentation „Das Versprechen“ greift diese Hypothese auf. Es wird kolportiert, dass das Täterprofil darauf hindeutet, dass es sich bei dem Täter höchstwahrscheinlich um eine weibliche Familienangehörige handelt.

Fakt ist, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass es diesen Bericht überhaupt gibt. Das FBI hat nämlich auf eine Anfrage hin nicht bestätigt, dass dieses Profil existiert. Weder Jens Söring, noch die Produzenten des Films „Das Versprechen“ haben dies Dokument also jemals zu Gesicht bekommen. Wie kann man dann behaupten, dass es Jens entlasten würde? Beide Quellen stützen sich auf den pensionierten Polizisten Chuck Reid, der ursprünglich mit dem Fall betraut war und das Vorhandensein des FBI- Täterprofils bestätigt. Wie glaubhaft die Darstellung von Chuck Reid ist, muss jeder selbst beurteilen. 

Ich möchte daher lieber auf einen weiteren Aspekt im Zusammenhang mit dem FBI- Profil verweisen. Täterprofile müssen nicht zwangsläufig mit der Realität übereinstimmen. So scheint das Profiling auf Grund der Vielzahl auftretender Fehler heute wieder etwas aus der Mode gekommen zu sein. Wer mehr zum Profiling lesen möchte, möge hier klicken

Interessant finde ich auch, dass das Täterprofil, sofern es existiert, nicht der Spurenlage am Tatort entspricht und auch nicht der Version der Geschehnisse, wie sie von Jens dargestellt wird (siehe hierzu beispielhaft seinen Aufsatz „A Scenario of How the Haysom Murders May Have Occurred“).

Übrigens wird Jens Söring immer wieder vorgebracht, dass sein Prozess nicht fair verlaufen wäre. Dabei stützt er sich gerne auf das ominöse FBI- Profil. Fakt ist aber, dass es nach US- Strafrecht nicht die Aufgabe eines Staatsanwaltes ist, entlastendes Material in die Verhandlung einzubringen. Das Einreichen von Entlastungsmaterial obliegt einzig und alleine der Verteidigung.

Der zweite Täter
Fest steht, dass Elizabeth die Taten schwerlich alleine begangen haben kann. Zur Tatzeit war Elizabeth 19 Jahre alt. Es ist kaum vorstellbar, dass sie nur mit einem Messer bewaffnet alleine ihre beiden Eltern abgeschlachtet haben soll- war ihre körperliche Konstitution hierfür wirklich ausreichend? Erinnern wir uns: Die Eltern von Elizabeth waren zum Tatzeitpunkt 71 Jahre (Derek) bzw. 52 Jahre (Nancy) alt und somit durchaus noch in der Lage sich zu wehren. Der Täter oder die Täter müssen also über eine gewisse körperliche Robustheit verfügt haben.

Sollte Elizabeth also tatsächlich am Tatort gewesen sein, muss sie Hilfe gehabt haben. Wenn also Jens nicht dieser Gehilfe war, wer sonst? Eine bisher unbekannte Person?

Warum aber ist es weder dem zunächst involvierten FBI, noch der örtlichen Polizei oder Jens in 30 Jahren gelungen auch nur den kleinsten Anhaltspunkt zu finden? Vergessen wir nicht, dass Charlottsville eine kleine Stadt ist, der Kosmos in dem Elizabeth gelebt hat, war überschaubar. Der Kreis der Verdächtigen dürfte sich also in Grenzen halten. 

Interessant ist weiterhin, dass Jens es trotz signifikanter Finanzmittel, einem großen Unterstützerkreis, diversen Gutachtern und mehreren Sachverständigen (beispielsweise untersuchte der ehemalige Kriminalkommissar David Watson den Fall ausgiebig) in 30 Jahren, nicht vermocht hat, glaubhaft darzulegen, wer statt seiner die Morde gegangen haben könnte. Tatsächlich haben seine Versuche frei zu kommen stets einen großen Bogen um diese Thematik gemacht.

Betrachten wir nun das mögliche Motiv des Unbekannten. Mit welcher Motivation sollte diese Person die Eltern von Elizabeth getötet haben? Ist es vorstellbar, dass Elizabeth einen Mann dazu überredet hat für sie zu morden und dann Jens dazu gebracht hat, die Schuld auf sich zu nehmen? Warum flieht Elizabeth nicht mit dem Mörder, sondern mit Jens?


Was spricht konkret gegen eine Täterschaft von Elizabeth Haysom?


- Da das Außenlicht des Hauses brannte und Elizabeth wusste, wo es ausging, spricht dieser Punkt nicht unbedingt für ihre Anwesenheit. Nicht auszuschließen ist aber, dass sie in der Hektik vergaß, das Licht auszuschalten. Oder es war so, wie Jens es später in seinem Geständnis dargelegt hat? Jens sagte aus, dass Elizabeth im Auto wartete und er wieder auf Socken zurück ins Haus ging. Er fand aber den Lichtschalter nicht, da dieser nicht leicht zu finden war.
(Warum den Socken und dem Lichtschalter eine besondere Bedeutung zukommen, könnt ihr hier nachlesen).

- Es gab am Tatort keine konkreten Spuren von Elizabeth, abgesehen von dem Fingerabdruck auf der Wodkaflasche. Die DNA- Spur (Blut mit der Blutgruppe B), die am Tatort gefunden wurde, konnte ihr nicht zugeordnet werden. Unter dem Strich fand sich im Haus also nichts, was Elizabeth wirklich belastet.

- Im Tagebuch, in dem ein konkreter Tatablauf festgehalten wurde, macht sich Elizabeth Sorgen, dass Jens der Tat überführt werden könnte. Konkret befürchtet sie, dass seine Fingerabdrücke am Tatort gefunden wurden. Hingegen äußert sie keine Bedenken, dass sie selbst überführt werden könnte.

- Elizabeth gab, im Gegensatz zu Jens, bereitwillig ihre Hand- und Fußabdrücke und ihre Blutprobe ab. Warum sollte sie das tun, wenn sie vor Ort war und möglicherweise Spuren hinterlassen hat?


Fazit

Unter dem Strich finden sich kaum belastbare Beweise oder Indizien, die für eine Täterschaft von Elizabeth Haysom sprechen. Sollte sie aber an den Morden direkt beteiligt gewesen sein, hat sie die Taten sicherlich nicht alleine ausgeführt. Auf Grund der oben genannten Argumente, halte ich die Beteiligung eines bisher unbekannten Dritten aber für unwahrscheinlich. Die einzig verbliebene Möglichkeit wäre, dass Elizabeth und Jens, die Morde gemeinschaftlich begangen haben.