Donnerstag, 16. März 2017

Der Fall Jens Söring: Täterschaft (Teil 15: Der Prozess)


War der Prozess von Jens Söring fair und wurden rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten?

Jens Söring vereint die Antwort auf diese Fragen auf seiner Internetseite. Im Wesentlichen nennt er drei Argumente, die wir uns ein wenig genauer ansehen wollen:

(i) Richter William Sweeney war befangen und mit der Familie der Opfer befreundet. Demnach hätte er niemals den Prozess von Jens leiten dürfen.

Bewertung:
Tatsächlich war Richter Sweeney lediglich mit dem Bruder von Nancy Haysom, Risque Benedict, befreundet. Es sei zudem angemerkt, dass das Verhalten des Richters gerichtlich überprüft wurde. Hierbei wurde festgestellt, dass sein Verhalten rechtskonform war (Urteil vom 09.10.1991, The Court of Appeals of Virgina).
Nicht vergessen werden darf, dass Jens Söring nicht von Richter Sweeney schuldig gesprochen wurde, sondern, wie in US- Strafprozessen üblich, von einer Jury aus 12 Geschworenen. Das Urteil ist einstimmig gefallen. Alle 12 Geschworenen waren davon überzeugt, dass Jens die Morde begangen hat. Wäre nur ein Geschworener nicht überzeugt gewesen, hätte es keine Verurteilung gegeben.

Es gibt aber noch zwei weitere Gründe, die dafür sprechen, dass der Richter nicht voreingenommen oder befangen war:

- Richter Sweeny hat vor Prozessbeginn verfügt, dass sich die Jury nicht aus dem Landkreis zusammensetzen darf, in dem die Morde geschehen sind (Bedford County), sondern aus dem Landkreis (Nelson County). Durch diese Maßnahme sollte verhindert werden, dass die Mitglieder der Jury durch die Medienberichterstattung voreingenommen sind.

- Richter Sweeny hat ebenfalls verfügt, dass der Experte der Anklage, Dr. Robert Hallett im Prozess nicht als Sachverständiger aussagen durfte. Das ist bemerkenswert, denn Dr. Hallett war ein wichtiger Experte für die Staatsanwaltschaft, da er das Gutachten zu dem blutigen Sockenabdruck erstellt hat (mehr zum diesem Indiz findet ihr
hier).

Verhält sich so ein voreingenommener und parteiischer Richter? Wohl kaum. Ich glaube, dass sich der Richter sogar vorbildlich verhalten hat.

(ii) Richard Neaton, der Rechtsanwalt von Jens Söring, war während des Prozesses geisteskrank. Später soll er Jens bestohlen haben. Daraufhin wurde ihm die anwaltliche Lizenz entzogen.

Bewertung:
Um beurteilen zu können, ob der Prozess rechtsstaatlichen Prinzipen genügt hat, spielt es keine Rolle, ob der Strafverteidiger von Jens geisteskrank war. Dieser war schließlich kein Pflichtverteidiger, sondern wurde als Spezialist für Strafprozesse engagiert. Zudem hatte Jens noch einen zweiten Anwalt, der ihn gerichtlich vertreten hat. Das Neaton später mutmaßlich Geld von Jens veruntreut hat, ändert letztlich nichts an der Bedeutung des Sachverhaltes. Es geht ja primär darum, ob Jens einen fairen Prozess bekommen hat.

Übrigens hat Jens seinen Anwalt nach dem verlorenen Prozess auch für sein Berufungsverfahren engagiert. Warum hat er das getan, wenn er angeblich so unzufrieden mit diesen gewesen ist? Kann es sein, dass die angebliche Inkompetenz von Richard Neaton nur vorgeschoben ist, um zu suggerieren, dass Jens mit einem „guten“ Anwalt freigesprochen worden wäre?

(iii) Jens Söring verweist gerne auf ein ominöses FBI- Profil, welches angeblich von der Staatsanwaltschaft unterschlagen wurde und somit nicht vor Gericht eingebracht werden konnte.

Bewertung:
Dieses Indiz spielt aber bei näherer Betrachtung keine Rolle. Warum könnt ihr
hier nachlesen.

Unabhängig von den drei oben beschriebenen Aspekten, gibt es noch einen weiteren interessanten Gesichtspunkt:

Auf das Hauptverfahren folgten noch sechs weitere Instanzen, in denen das Urteil untersucht wurde. Diese Berufungsgerichte sind teilweise mit mehreren Richtern besetzt (beispielsweise der Virgina Court of Appeal und der Virginia Supreme Court). Letztlich haben mindestens 20 Personen (diverse Richter und Geschworene) den Fall gehört und überprüft, aber das Urteil wurde von allem übergeordneten Instanzen bestätigt.

Fazit:
Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Argumente, muss man davon ausgehen, dass der Prozess fair war und rechtsstaatlichen Prinzipien genügt hat.