Dienstag, 8. November 2016

Der Fall Jens Söring: Good vs. Evil

Wie bereits ausgeführt, ist Glaubwürdigkeit bei Indizienprozessen ein hohes Gut. So auch im Fall Jens Söring. Wem der beiden Verdächtigen kaufe ich seine Geschichte ab?
Wenn es also gelingt, die Glaubwürdigkeit einer Person zu erschüttern, ist schon viel erreicht. Jens Söring fährt insoweit eine geschickte Doppelstrategie. Es lässt Elizabeth Haysom in einem möglichst schlechten Licht erscheinen und glorifiziert sich gewissermaßen selbst.

So schreibt Jens in seinem Blog 36 „Meine Beziehung zu Elizabeth Haysom“:
„Die beiden (Elizabeth und eine Freundin- Anm. d. Verf.) schliefen mit allen und jedem, die ihnen Heroin gaben- mit anderen Worten, sie waren Amateurprostituierte“.
„... und auch während ihrer (Elizabeth- Anm. d. Verf.) Zeit als freischaffende Heroinprostituierte mehrfach vergewaltigt wurde“.

In seinem Brief vom 09.11.2016 an David Remnick vom Magazin „The New Yorker“ betont Söring, dass Elizabeth an einer Borderline- Persönlichkeitsstörung leiden würde und ihr gleich drei Psychiater diese Erkrankung diagnostiziert hätten.

"Bei der Borderline- Störung handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität von Emotionen und Stimmung, der Identität sowie zwischenmenschlichen Beziehungen charakterisiert ist." (Quelle: http://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org).


Jens stellt Elizabeth also als einen Junkie dar, der sich prostituiert hat und unter einer Persönlichkeitsstörung leidet. 
Wie ist das alles zu bewerten? Belegt ist nur die Borderline- Störung von Elizabeth. Fakt ist aber auch, dass Elizabeth einem geregelten Leben nach ging, dank eines Stipendiums an einer Elite Universität studieren konnte und sich in Bezug auf Drogen nicht auffällig verhielt.

Konnte sie also so kaputt gewesen sein, wie von Jens dargestellt?
So wie Jens Elisabeth verunglimpft, stellt er, der Stipendiat und Diplomatensohn, sich selber auch gerne als weißen Ritter dar (beispielsweise in dem er seiner Aussage zufolge die Schuld für die Morde auf sich nahm, um Elizabeth von der Todesstrafe zu bewahren).

Das diese Selbstdarstellung vor dem Hintergrund der begangenen Straftaten in mehreren Ländern (klick), unter andrem Scheckbetrug in England, ein wenig seltsam erscheint, ist aber nur eine Facette. Stets führt Jens Söring aus, dass ihm im Gefängnis noch keine Disziplinarstrafen angehängt wurden, was wohl für seinen positiven Charakter der Beleg sein soll und ein wichtiger Baustein in seiner Verteidigungsstrategie ist. Davon abgesehen, dass seine Aussage nicht nachprüfbar ist, ist sie auch nicht widerspruchsfrei.
Jens hat in seinem Buch „Nicht schuldig!“ davon berichtet, dass er als sogenannter „Geldhai“ im Gefängnis ein einträgliches Geschäft aufgezogen hat (Quelle: Jens Söring, "Nicht schuldig", 2012). Das bedeutet ja nichts anderes, als dass er seine monetäre Überlegenheit dazu ausgenutzt hat, um von Mitgefangeneden, die finanziell schlechter gestellt sind als er, Wucherzinsen für verliehenes Geld zu verlangen.
In einem seiner Publikationen Flaschenpost 10 schreibt er davon, dass er sich einen anderen Insassen für seine Zelle als Mitbewohner „gekauft“ hätte, dem ihn genehm ist. Faktisch wurde also mindestens ein Gefängniswärter bestochen. Wie passen diese Sachverhalte zur obigen Aussage von Jens Söring, dass er noch keinen Regelverstoß begangen hat?

Nun aber nochmals zurück zur diagnostizierten Borderline-Störung von Elizabeth. Erstaunlich ist, dass Jens Söring sehr zurückhaltend ist, was seine eigene geistige Verfassung zum Zeitpunkt der Morde angeht. Fakt ist, dass  Dr. Henrietta Bullard (psychiatrische Gerichtsmedizinerin) und Dr. John R. Hamilton (Chefarzt des Broadmoor-Krankenhauses in dem Jens Söring inhaftiert war) unabhängig voneinander festgestellt haben, dass Jens Söring zur Tatzeit geistesgestört war (Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte; Soering gegen Vereinigtes Königreich, Urteil vom 7. Juli 1989). Konkret litt er unter einer induzierten wahnhaften Störung.

"Induzierte wahnhafte Störung heißt, dass eine im Allgemeinen geistesgesunde Person die Wahnvorstellungen eines Psychose-Erkrankten (Geisteskranken) übernimmt. Damit teilen sich zwei (oder gelegentlich auch mehr) Menschen denselben Wahn oder das gleiche Wahnsystem und bestärken sich nach und nach so in dieser Überzeugung, dass zuletzt ein chronischer (dauerhafter) Krankheitsverlauf droht. Die Heilungsaussichten sind begrenzt, besonders ohne fachärztliche Behandlung (und vor allem antipsychotisch wirkenden Neuroleptika)." (Quelle: http://www.psychosoziale-gesundheit.net).

Was bleibt übrig von der Geschichte Gut gegen Böse?