Donnerstag, 4. Mai 2017
Der Fall Jens Söring: Rekonstruktion der Ereignisse II
Am Freitag, den 29.03.1985, fuhren Elizabeth Haysom und Jens Söring gemeinsam nach Washington. Dort verbrachten sie gemeinsam den Nachmittag und die Nacht. Am Samstagnachmittag entschied sich Jens dazu, zurück nach Virginia zu fahren, genauer gesagt, nach Bonsboro, dem Wohnort der Eltern von Elizabeth. Als Alibi hierfür wurden von Elizabeth vorsorglich Kinokarten besorgt. Gut möglich ist aber auch, dass das Wochenende an sich schon als Alibi dienen sollte, nämlich für den Fall, dass die Tat nicht spontan umgesetzt wurde, sondern länger geplant war. Jedenfalls fand die Polizei während ihrer Ermittlungen heraus, dass der Mietwagen mehr Kilometer auf dem Tacho hatte, als die Strecke Charlottsville- Washington hergibt. Die „Extrakilometer“ ergeben sich exakt durch die zusätzliche Strecke Washingon- Bonsboro, Bonsboro- Washington.
Unklar ist, ob Jens die Haysoms zunächst nur zur Rede stellen wollte oder ob er mit fester Mordabsicht nach Bonsboro fuhr. Jens gab in seinen Geständnissen an, zunächst nur das Gespräch gesucht zu haben. Der Mord sei dann aus dem Effekt heraus geschehen. Auch habe er kein Messer dabei gehabt, sondern ein Messer aus dem Hause der Haysoms für die Morde benutzt.
In Bonsboro wurde Elizabeth möglicherweise von ihren Eltern erwartet. Erinnern wir uns: Es ist nicht ganz klar, ob der Esstisch der Haysoms für zwei oder drei Personen gedeckt war. Jedenfalls können wir annehmen, dass Jens nicht erwartet wurde. Ins Haus kann er auf unterschiedliche Weise gekommen sein (die Tür wies keine Einbruchsspuren auf): Entweder hat Elizabeth ihm einen Schlüssel gegeben oder er hat einfach geklingelt und um Einlass gebeten. Der zweiten Variante hält Jens in einer späteren Version seiner Geschichte entgegen, dass ihn die Haysoms gar nicht ins Haus gelassen hätten. Ich denke aber, dass es plausibel ist, dass Jens sich nach dem Öffnen der Tür gewaltsam Eintritt verschafft hat oder dass er die Elternvon Elizabeth schlicht und einfach bequatscht hat.
Als Jens schließlich im Hause war, muss er sofort über die Haysoms hergefallen sein. Dabei ist es durchaus möglich, dass ein junger Mann wie Jens ein älteres Ehepaar alleine mit einem Messer töten kann. Schließlich war das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Den ersten Gegner, Derek Haysom, kann er zunächst schwer verletzt haben, so dass dieser kampfuntauglich war. Während dieses Kampfes floh Nancy Haysom in die Küche, wo sie schließlich getötet wurde, bzw. wo Ihr Leichnam entdeckt wurde. Schließ kehrt Jens zurück ins Wohnzimmer um den wehrlosen Derek zu töten.
Für diese Variante spricht den Fundort der Leiche von Derek. Diese wurde von der Polizei im Wohnzimmer in der Nähe der Tür gefunden. Auch erhärtet der Umstand, dass die Mordwaffe eben nicht gefunden wurde bzw. das Steakmesser, das angeblich für die Tat verwendet wurde, keine Blutspuren aufwies, diese Theorie. Somit muss Jens das Messer von Anfang an mitgebracht haben. Warum sich dann noch an den Esstisch setzen und ein Schwätzchen mit den Haysoms halten?
Die offizielle Version der Staatsanwaltschaft weicht von dieser Version ab. Demnach ist es während des Abendessens zwischen Jens und den Haysoms zum Streit gekommen, woraufhin Jens das Ehepaar getötet hat. Natürlich kann ich nicht mit letzter Sicherheit sagen, wie sich der Mord tatsächlich abgespielt hat, aber ich denke die von mir aufgezeigte Variante ist einfach denklogisch nachvollziehbarer. Vergessen wir bei der Betrachtung nicht das schlechte Verhältnis zwischen Jens und dem Ehepaar Haysom. Auch ist es doch recht ungewöhnlich eine Person, die man nur flüchtig kennt, auch wenn sie der Freund der Tochter ist, zum Abendessen zu bitten.
Übrigens halte ich es durchaus für plausibel, dass ein Messer benutzt wurde, auch wenn Jens angibt, dass dies “unlogisch“ sei, weil es viel einfacher wäre, einen Mord mit einer Pistole zu begehen. Dieser Einschätzung muss man entgegen halten, dass es für ungeübte Menschen gar nicht so einfach ist, eine sich bewegende Person mit einer Pistole zu treffen. Auch der Rückschlag einer solchen Waffe ist nicht zu unterschätzen. Letztlich ist ein Messer, trotz „lascher“ Waffengesetzte in den USA, leichter zu beschaffen als ein Messer.
Nach der Tat flieht Jens panisch aus dem Hause, entledigt sich seiner Kleidung um im Auto keine Spuren zu hinterlassen und lässt die Mordwaffe angabegemäß in einem Müllcontainer verschwinden. Als er bemerkt, dass die Außenbeleuchtung des Hauses noch brennt, begibt er sich zurück ins Haus. Dabei entledigt er sich seiner Schuhe um keine Spuren zu hinterlassen. Gleichwohl wird er dabei den blutigen Sockenabdruck hinterlassen, über den in den nächsten Jahrzehnten so viel diskutiert werden wird. Zur Erinnerung: Jens konnte nicht wissen, wo sich der Lichtschalter befindet, denn dieser ist im Schlafzimmer der Haysoms recht gut „versteckt“. Also bleibt das Licht schließlich eingeschaltet.
Nach der Tat fährt Jens zurück nach Washington. Am Sonntag treten beide gemeinsam die Rückreise nach Charlottesville an. Dort verbringen sie gemeinsam sechs recht unbeschwerliche Monate, bis die Polizei ihnen auf die Spur kommt. Schließlich wird Elizabeth gebeten ihre Fingerabdrücke und Fußabdrücke abzugeben. Elizabeth kommt dieser Bitte nach. Als Jens gebeten wird selbiges zu tun flieht er ins Ausland, wohin ihn Elizabeth wenig später folgt.
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